[Die englische Originalversion dieses Texts finden Sie hier.]
Ein Regenbogen an Freunden. Freunde unterschiedlicher Hautfarben und Nationalitäten. Die Unschuld und Schönheit von Kindern. Kinder, mit denen aufzuwachsen ich die Freude und Ehre hatte. Wir waren besonders, wir wurden vergöttert, gefördert und beschützt. Wir waren die Zukunft; wir würden die Welt retten.
Alle tot. Was für eine unfassbare Tragödie.
Bei meinem ersten Kontakt mit dem Peoples Temple war ich elf Jahre alt. Ich erinnere mich an das frühe Aufstehen am Sonntagmorgen, für die zweistündige Fahrt von San Francisco nach Redwood Valley. Ungeduldig, voller Vorfreude konnte ich es kaum erwarten, meine Freundinnen wiederzusehen. Wir umarmten und küssten einander zur Begrüßung, kicherten dabei. Verspielte, unschuldige Kinder, ansteckendes Gelächter. Ich erinnere mich an das Singen im Kirchenchor. Daran, wie stolz ich war, mein hellblaues Chorkleid zu tragen, mit dem perlenbesetzten Ausschnitt. Ich erinnere mich an das gemeinschaftliche Mittagessen nach dem Sonntagmorgengottesdienst, an das Schwimmen im Kirchen-Pool, das sich Kümmern um den Gemüsegarten. Dass dies der Himmel auf Erden war, brauchte man mir nicht eigens zu sagen.
Eine Unmenge an Fragen: Woran glaubt der Peoples Temple? Seid ihr Kommunisten? Warum folgt ihr einem Weißen? Was ist mit dem Bürgerrechtskampf? Habt ihr den Verstand verloren? Man bedenke das soziale und politische Klima der späten Sechziger- und frühen Siebzigerjahre: Medgar Evers, Malcolm X, Martin Luther King. Ermordet. Kam es gelegen? Ironie des Schicksals? War es geplant? Jim Jones, der soziale Reform, Gleichheit, Liebe, Gerechtigkeit und Frieden predigte. Er wurde unser Führer, unser Retter, Vater und – für viele – Gott in Menschengestalt. Ein Kreuz, das schwer zu tragen war?
Jim Jones und der Peoples Temple wurden grotesk, brutal, furchteinflößend. Liebe wurde durch Prügel ersetzt, durch Demütigung. Beziehungen wurden vergiftet von Misstrauen, Arglist, Ehrlosigkeit. Was war mit der Herzensgüte, der Unschuld, der Schönheit geschehen? Sie war nicht mehr da.
Ich verließ den Peoples Temple im Jahr 1976, im Alter von zwanzig Jahren. Allein, verängstigt, paranoid, voller Schuldgefühle. Eine Verräterin an der Sache. Ignoriert und geächtet von Mitgliedern, wann immer unsere Wege sich kreuzten. Paranoide Gedanken – dass ich gejagt würde, zerstört – beherrschten mich. Wie baut man sich ein neues Leben auf, schließt Freundschaften? Wie fängt man an, dem “Feind” zu vertrauen? Furchtsam, voller Scham über meine Mitgliedschaft im Peoples Temple, erzählte ich nie einer Menschenseele, dass ich dazugehört hatte. Zu viele Fragen zu beantworten. Lächerlich gemacht, abgestempelt, angestarrt zu werden, Finger, die auf mich zeigen…auf gar keinen Fall.
Ich glaube jetzt an Gott. Er hat mich gerettet vor der Hölle von Jonestown. Er hat mich davor gerettet, ermordet zu werden. Der Großteil meiner Freundinnen und Freunde aus der Kindheit wurde umgebracht – jene, die mit mir gemeinsam die Welt retten sollten.
Die Lehren und die Philosophie sind nicht gestorben. Sie wohnen in mir und in denen, die noch da sind und sich erinnern. Viel Gutes wurde getan – und noch so viel wäre zu tun gewesen. Es war nicht alles Wahnsinn.
Dreißig Jahre sind vergangen, seit ich zum letzten Mal Kontakt mit früheren Mitgliedern hatte. Es bedeutet mir viel, die Verbindung mit ihnen wiederaufzunehmen. Ich schließe sie in meine Arme, respektiere ihr Leben und ihre Wege. Wir bleiben eine Familie, eng verbunden durch ein Band aus Liebe und Gerechtigkeit.
Meine Reise geht weiter.